Frankfurt Marathon 2001

Badeschlappenmarathon

Vor etwa 2 Jahren nach einem Lauf im Frühjahr 1999 an der Viehweide (Hofheim) habe ich mal behauptet, man könne den Marathon doch auch in Badeschlappen bestreiten. Natürlich gab es damals nur ablehnende Gesichter. "Badeschlappen, ... dann läuft man doch Blasen?" "Und überhaupt ... die Schlappen haben doch gar keine Dämpfung". Ich war aber fest davon überzeugt, daß so was machbar ist. Immerhin lief ich in Griechenland wochenlang nur auf Schlappen. Das waren sogar Lederteile mit Riemchen über dem großen Zeh. Ohne Probleme habe ich damit kilometerlange Wanderungen absolviert.

An meinem Geburtstag im Mai 1999 erinnerte Gunter mich wieder an unser "Schlappen-Gespräch" und schenkte mir deswegen ein Paar blau-weiß gesteifte Adiletten mit einer Auschrift auf der Schachtel: Marathon-Badeschlappen. "Genau diese Badeschlappen habe ich gemeint", sagte ich und demonstrierte sofort die vorhandene Dämpfung. überzeugen konnte ich die Anwesenden nicht. Meiner Meinung nach war die Dämpfung durchaus noch besser als bei durchschnittlichen Laufschuhen. "OK! Ich werde es Euch beweisen im Oktober beim Frankfurt-Marathon".

Vorgeplänkel

Im Sommer lief ich dann probeweise den 10 km Mittsommernachtslauf in Hofheim-Wallau auf Badeschlappen. Irgendwie fand ich das witzig. Schon beim Warmlaufen schauten schon einige auf meine Füße und mußten bestimmt gedacht haben: "Was macht der Irre da?" Meine Freundin hat schon vorher gesagt, daß sie nicht mit mir zusammen warmlaufen möchte. Also trottete ich am warmen Sommernachmittag gemütlich durch die Wallauer Straßen. Das ging hervorragend. Ich hatte normale Sportsocken an. Damit rutscht man wenigstens nicht aus den Schlappen, aber es sieht halt noch bescheuerter aus als ich ohnehin schon aussah. Ich testete sogar das etwas zügige Laufen aus. Das klappte hervorragend.

Am Start stellte ich mich ganz hinten auf, um bloß keine Teilnehmer zu verärgern. Großartig aufgefallen bin ich dort nicht. Nur meine unmittelbaren Nachbarn stellten mir Fragen wie: "Hast Du Deine Schuhe vergessen?" oder: "Bist Du verletzt?". Nach dem Startschuß lief ich behutsam los und war so ziemlich 500. von etwa 500 Läufern. Wir liefen auf schmalen Fahrradwegen über die Felder. Nach einem Kilometer in 6:30 beschleunigte ich. Rasch fing ich an, die Nachzügler zu überholen. Wir liefen immer noch auf Fahrradwegen. Den 2. Kilometer schaffte ich in etwa 5 Minuten.

Dann lief ich so langsam in die Masse hinein. Beim 3. Kilometer liefen wir auf einem Asphaltweg leicht bergab. Es lief so gut, daß ich noch was drauflegte. Mit einem 4:30er Schnitt ließ ich meine Schlappen etwas härter "Klatschen" als notwendig war. Innerlich hatte ich einen Heidenspaß. Sofort kammen die Bemerkungen: "Wohl Deine Schuhe vergessen, oder was?" oder "Mein Gott, der läuft schneller auf Schlappen als ich in Turnschuhen." Ganze Scharen von Läufern überholte ich. Ab dem 5. Kilometer gab ich soviel Gas, daß ich mir keine Zeit mehr gönnte, mit den Leuten zu plaudern. Mal schauen, was so drin ist. Im Ziel waren es dann 45 Minuten und ein paar Zerquetschte. "So!", dachte ich, "damit schaffe ich auch den Marathon".

Daraus wurde aber nichts weil ich an dem Tag ein wichtiges Volleybalspiel absolvieren mußte. Bei einem Teamsport ist es Pflicht immer anwesend zu sein. Deswegen habe ich mein Schlappen-Vorhaben mal innerlich verlegt auf die 2000er Ausgabe des Frankfurter Marathons. Ein großer Stadtmarathon mußte es schon sein. Bei einem kleinen Waldmarathon wie z.B. in Egelsbach macht das keinen Spaß. Dann läuft man hinten ganz alleine und dazu noch ohne Publikum. Also Frankfurt 2000!

Wieder gab es im Sommer 2000 den Mittsommernachtslauf in Wallau. "Da könnte ich doch glatt meine Schlappenbestzeit knacken", dachte ich. Auch diesmal kamen viele ähnliche Bemerkungen wie im Vorjahr. Lange Rede, kurzer Sinn: es ging tatsächlich schneller und zwar diesmal in 44 Minuten und ein paar Sekunden. Schlappenbestzeit!!

Auch diesmal war im Oktober ein Volleyballspiel wichtiger als die Lauferei. Ich mußte wiederum meine Ankündigung, einen Marathon in Schlappen zu absolvieren, zurücknehmen. Ich machte mir danach Gedanken über meine Vertrauenswürdigkeit. Sofort nahm ich mir vor, Mainz 2001 in Badeschlappen zu laufen. Es sollte schon ein Stadtmarathon sein. Ein kleine Landschaftsmarathon kommt aus mehreren Gründen nicht in Frage. Dort sind immer wenig Teilnehmer und kaum Publikum. Ich habe keine Lust alleine hinten herumzudümpeln, von Gott und der Welt verlassen. Außerdem würde es mir keiner abnehmen, daß ich tatsächlich die ganzen Zeit auf Badeschlappen unterwegs war. Ein weiterer Nachteil ist der Bodenbelag. Das sollte schon Asphalt sein, damit ich ohne Gedanken auf meinen ohnehin kaum vorhandenen Kniehub verzichten kann. :-)

Mainz 2001 - Auch diesmal hatte ich Pech. Wegen einer Adduktoren-Verletzung mußte ich auch diesmal verzichten auf mein Startvorhaben auf Badeschlappen. Meine Glaubwürdigkeit ist jetzt bestimmt bei 0 angelandet. Meine Freunde gaben aber zu erkennen, daß sie Verständnis hatten für meinen Startverzicht. Man soll es nicht über das Knie brechen. Die nächste Gelegenheit hier in der Nähe ist wohl Frankfurt 2001, obwohl ich mir vorgenommen hatte, lieber nicht mehr in Frankfurt zu laufen. Dort ist die Teilnahmegebühr sehr hoch und die Leistung nicht dementsprechend. Die Strecke ist auch eher fantasielos langweilig.

Vorfreude

Frankfurt 2001 - Endlich! Kein Volleyballspiel, keine Verletzung. Es regnet wie aus Kübeln aber das ist kein Grund zur Nichtteilnahme. Auch nicht, wenn man auf Badeschlappen läuft. Vorsorglich hatte ich meine Wüsten-Stümpfe angezogen. Der Trick daran ist, daß diese wasserdicht sind. Ich habe sie benutzt beim Marathon des Sables, um meine Zehen nicht mit dem Sand in kontakt kommen zu lassen. Diesmal würden sie meine Füsse trocken halten und im Dauerregen Blasen vorbeugen.

Unser Lauftreff Passtchon98 traf sich auf den oberen Rängen in der Festhalle. Wir sind mittlerweile so viele, daß ein Tisch unten in der Festhalle nicht in Frage kam. Demonstativ lief ich dort mit meinen Badeschlappen herum. Treppe hoch, Treppe herunter. Die Leute sahen mich an und runzelten ihren Stirn. Ich hatte einen riesen Vorfreude. Ich war überzeugt davon, daß mein Badenschlappenmarathon ein Erfolg sein würde. Oben in der Festhalle wurden noch ein paar Fotos gemacht. Hoffentlich fotografiert mich auch noch jemand unterwegs, dachte ich. Sonst habe ich nachher nur Erinnerungen und kann es anderen Leuten nicht zeigen.

Erst 5 Minuten vor dem Start bewegten wir uns in unseren Startblock. Irgendwie war dort alles durcheinander. Ich fand meinen Startblock auf dem Schnellen nicht und reihte mich in A3 anstatt A2 ein. Das ist eigentlich auch besser, da ich sowieso nicht vor hatte, schnell zu laufen. Ich hatte den ganzen Sommer noch Adduktoren-Probleme und konnte deswegen nicht richtig trainieren. Außerdem ist auf Badeschlappen sowiso keine gute Zeit drin. Hinten im A3-Block standen wir im Regen. Wir waren schon vor dem Start völlig durchnäßt. Vielen haben meine Badeschlappen gar nicht bemerkt, da fast jeder sich eingemummelt hat und den Start herbeisehnte. An eine Bemerkung erinnere ich mich dann doch: "Willst Du damit wirklich laufen? Mein Gott!" Erst 8 Minuten nach dem Startschuß schafften es auch wir, über die Startlinie zu laufen.

Der Lauf

Gemütlich, mit 6:45er Schnitt, lief ich los. Erst mal testen, wie sich das so läuft mit den wasserdichten Strümpfen. Ganz gut eigentlich. Nach ein paar Kilometern, waren meine Füße immer noch trocken, trotz Dauerregen und Pfützen. Viele fingen ein Gespräch mit mir an. "Warum machst Du das?", "Hast Du Deine Schuhe vergessen?", "Das ist wohl eine Wette, oder?" waren einige der vielen Bemerkungen. Ab km 7 nervte mich ein junger Typ mit vielen, vielen Fragen. Bei etwa km 12 fragte er, wie schnell ich wohl wäre mit richtigen Laufschuhen. Um ihn endlich loszuwerden, log ich: 2:42 Std. und beschleunigte auf 6:00er Schnitt. Erst wollte er mitlaufen, ließ es dann aber doch sein.

Es lief wunderbar. Bei km 20 hörte es sogar auf zu regnen. Ich zog meine Regenjacke aus und machte weiter "Dampf". Bei meinen vielen Überholaktionen hörte ich viele Reaktionen: "Ach, schau da: Er läuft schneller auf Badeschlappen als ich in Turnschuhen", "Das darf doch nicht wahr sein" und wieder viele die auf eine Wette tippten. Meine Reaktion war: "Ach nein, ich feiere nur meinen 45. Marathon. Jubiläum also!" Vor allem freute ich mich über die vielen Reaktionen von den Zuschauern. Meistens merkten sie es erst, wenn ich ganz nah war und mussten meistens herzlich lachen. Die lachenden Gesichter waren für mich eine wahre Freude.

Bei etwa km 24 sah ich Thomas. Er lief seinen ersten Marathon und wollte doch etwas schneller unterwegs sein als wie er es jetzt war. Sofort nahm ich Tempo heraus und fragte, was los sei. Er winkte ab und trauerte: "Ich bekomme kaum einen 7:00er Schnitt hin. Es ist bestimmt die Erkältung von letzter Woche." Ich versuchte, ihn zu motivieren, aber er war wirklich nicht gut drauf. Schade!

Mein linker Fuß fing an zu schmerzen. Es bildete sich bestimmt eine Blase mitten unter dem Fuß. Die Strümpfe sind von innen leicht geriffelt. In der Wüste hatte ich deswegen profylaktisch Compeed Pflaster verwendet. Diesmal hatte ich das nicht. Mist! Mal nachschauen. Ich meldete mich bei Thomas ab und wollte mal nachschauen. Auf einer Treppe merkte ich, daß ich meinen Chip mit Klebeband über meinem Strumpf befestigt hatte. Deswegen war ein zügiges Ausziehen nicht möglich. "Dann mal weiter so", dachte ich und machte mich auf den Weg. Ich lief bald wieder auf Thomas auf und begleitete ihn einen weiteren Kilometer. wir liefen etwa 6:45. Dann sahen wir Knut. Ihm ging es auch nicht gut. Thomas fiel zurück und Knut wollte bis km 30 Laufen und erst danach ein wenig gehen.

Nach km 30 war ich dann wieder alleine. Ich wollte wieder beschleunigen aber irgendwie fiel mir das schwer. Meine beiden Füsse schmerzten jetzt. Deswegen fing ich an überwiegend auf meinen Zehspitzen zu laufen, um bloß meine Blasen unter den Füssen zu schonen. Mit etwa 6:30er Schnit lief ich an km 35 vorbei. Dort waren Gunter, Uwe, Sabine und noch ein paar andere Zuschauer von Passtschon98. Gunter gönnte mir ein Bier. Uwe half mir, meine Strümpfe auszuziehen. Ich gab meine Reserveschlappen, die ich die ganze Zeit in meinen Hände hatte, an Gunter und lief barfuß in den Schlappen weiter.

Hoffentlich hält jetzt das Tape, mit dem mein Chip befestigt war. Auf jeden Fall lief das befreiter. Nach ein paar weiteren Kilometern war ich dann echt müde. Vor allem spürte ich meine Waden. Das war zurückzuführen auf mein extremes Vorderfußlaufen. Das bin ich nicht gewöhnt. Ich schleppte mich vorwärts und musste noch mal eine Innenstadtschleife drehen. Hier entstand dann auch das Foto. Wenigstens ein Beweis, daß ich wirklich in Badeschlappen unterwegs war. Danke Angela.

Es wurde stille um mich herum. Jeder kämpte sich vorwärts und war beschäftigt mit seine eigene Probleme. Ich trottete duch die Innenstadt. Eine Gehpause wollte ich mich nicht genehmigen. Ich bin ja Marathonläufer, nicht Marathongeher. Auf der Hauptwache wurde ich begüsst von Vanman Jochen Heringhaus. Er Moderierte dort den Marathonlauf. Ich winkte und versuchte zu strahlen, was auch klappte. Motiviert lief ich weiter über den Opernplatz. Dort entdeckte der Moderator meine Badeschlappen, wenn ich schon vorbei war. Schade! Ich habe mich den ganzen Lauf schon gefreut auf die erstaunte Gesichter. Hier habe ich sie leider verpasst.

Jetzt noch den Zieleinlauf. Beschleunigen hatte keinen Sinn mit so einer Zeit. Bekannte riefen mir zu und weitere Fotos wurden gemacht. Ich hatte es geschafft in einer Zeit von 4:42:26. Gottseidank ergatterte ich noch eine der letzten Medaillen. Ich muss gestehen, dass ich auf die Dinge stehe, wenn sie auch für viele keinen Wert haben.

Ich nahm mir ein alkoholfreies Bier und konnte noch relativ souverän die Treppen hochlaufen. Oben in der Festhalle wurde ich dann weiter begrüßt und es wurde mir gratuliert. Meine Bemerkung: "Nein, das tue ich mir nicht nochmal an". Danach ging es ab zum Italiener. Ein schöner gemütlicher Ausklang, wo alle Erlebnisse mal erzählt wurden.

Nachtrag: seitdem bin ich noch 2 Mal den Frankfurter Marathon auf Badeschlappen gelaufen. In 2004 in 4:27:28 und in 2006 in 4:17:07, was auch gleich meine "Badeschlappenbestzeit" bedeutet. Ich glaube nicht, daß ich so leicht noch mal mit Badeschlappen laufen werde, denn um noch schneller laufen zu müssen, würde der Spaß "auf der Strecke bleiben". Wenn ich so viel Kraft investieren muß, kann ich auch gleich mein Laufschuhe anziehen und eine "anständige Zeit laufen.