Marathon des Sables 2001

4.4.2001 - 5.4..2001 - Etappe 4: Oued El Jdaid - Rich Bel Ras (82 km)

Der Start in den Tag verlief für mich eigentlich wie alle andere vorher. Weil wir meistens schon um etwa 8:00 Uhr schliefen, lag ich dann nach 8 Stunden Schlaf ab etwa 4:00 Uhr wach. Ich stand meistens schon auf und suchte mir ein geeignetes Plätzchen für mein Bedürfnis. Im Anfang der Woche machte ich mir noch die Mühe und suchte ein Plätzchen hinter einem Busch weit weg vom Bivouac. Mittlerweile reichte mir schon einen Distanz von 50 Meter. Später würde ich nicht mehr mal einen Busch suchen.

Um etwa 6:00 Uhr, als die Zeltjungs unser Zelt abbauen wollten, sprang bei uns jeder aus dem Zelt und brachte seine Sachen in Sicherheit. Dann wurde Kaffee gekocht und gefrühstückt, die Füße gepflegt, der Rucksack gepackt und die Wasserrationen abgeholt. Dieser Moment des Tages habe ich immer am meisten genossen. Die Temperaturen waren angenehm kühl und man hatte Zeit sich um sichselbst zu kümmern. Die Gespräche waren frisch, locker und wieder gutgelaunt. Von meiner Luftmatratze aus beobachtete ich das Getümmel um mich herum. Das ganze Lager war wieder in Aufbruchstimmung und man hatte Zeit für ein Gespräch mit den Teilnehmern aus andere Zelten.

Team Compaq vor der Start der 82 km Etappe

Dann forderten uns immer wieder diese Marokkanische Töne aus den Lautsprecher von einem der Landrover auf zum Start. Heute war alles ein wenig anders. Die 50 Bestplatzierten würden erst um 12:00 Uhr starten. Wir bekamen also ein "Vorsprung" von 3 Stunden. Mal sehen wann die Ersten uns überholen werden. Noch schnell ein paar Fotos, auf dem Schnellen die Tagesvorhaben durchgesprochen, die Tagesanrede von Pattrick Bauer angehört und schon waren wir wieder am Laufen. Heute hatten Petra und ich uns vorgenommen, die ganze Etappe zusammen zu bleiben. Petra fürchtete das Laufen in der Nacht. Rolf schließ sich bei uns an. Petra ist Erfahren und meistens der Vernünftigere von uns Beiden. Auch diesmal bestand sie darauf, sehr ruhig loszulaufen. Wir legten dann auch ein wirklich gemütliches Tempo an den Tag. Sie merkte schon schnell, daß wir doch wenigstens etwas schneller Laufen wollten. Deswegen bestand sie darauf, daß Rolf und ich unser Tempo laufen sollten. Sie würde es schon alleine schaffen. "Nein", sagte ich, "Ich habe versprochen heute bei Dir zu bleiben und dem möchte ich auch nachkommen".

Bei CP1 nach etwa 11 km wollte Petra ein Päuschen machen und zwingte uns alleine weiter zu laufen. Nur zögerlich liefen wir weiter. Ich vermutete aber auch, daß sie auch ihre Ruhe haben wollte und konnte mit uns nichts anfangen. Machmal läuft's dann eben besser. Mit doch ein gewisses Schuldgefühl begab ich mich mit Rolf auf der zweite Streckenabschnitt. Es war ziemlich windig und die Hitze war gut zu ertragen. Wir überholten massenhaft Leute und kurz vor CP2 sprinteten wir sogar über den Salzsee.

Tip von mir: Immer wenn eine leichte Brise aufkommt, sofort umschalten von Gehen auf Laufen. Die Kühlung sollte man sofort ausnutzen, Zeit gutzumachen.

Nach etwa 28 km durchquerten wir einen Wadi. Das ist ein trockenes Flußbett mit - in diesem Fall - sehr unregelmäßem Bodenprofil. Ein extra Schwierigkeitsfaktor war das Fehlen der Streckenbeschilderung. Ständig ging es ein paar Meter hoch und 'runter. Durch das viele Grün sahen wir die andere Teilnehmer oft gar nicht. In der Annahme, daß Rolf und ich in etwa richtig liefen, beschäftigten wir uns nicht mit dem Kompass. Nach etwa 15 Minuten war der Bodenprofil wieder eben und wir merken, daß wir doch ein Bißchen zu viel nach rechts abgedriftet waren. Während wir uns wieder richtung ausgeschilderte Strecke orientierten, sagte Rolf: "Jetzt müßten Spitze uns in etwa überholen." Nachdem wir dann noch mal richtig Dampf gemacht hatten, erreichten wir CP3 noch vor der Spitze.

Während Rolf seine Blasen verpflegen läßt, gönne ich meine Füßen ein paar Minuten Frischluft. Nach nicht mal 10 Minuten sind wir wieder unterwegs. Gerade als wir CP3 veließen, rannte die Spitze an uns vorbei. Er waren Mohammed Ahansal und ein andere Spitzenläufer. So schnell kam mir das eigentlich gar nicht vor. Nur die Hitze hielt mich davon ab, ein gleiches Tempo zu gehen. Der Spätere Sieger Lachen Ahancal, lag nur ein paar Minuten zurück. Er würde später an dem Tag mit 45 Minuten Vorsprong gewinnen. Unglaublich!

Bei etwa km 40 läuft Thorsten auf Rolf auf. Ich war mittlerweile von Rolf weggelaufen und das nützte Rolf dann auch um zusammen mit Thorsten und noch ein schneller Läufer, der ein 6er Schnitt lief, auf mich auf zu laufen. Ich machte ein Foto auf dem Moment, daß die drei mich passierten. Dann schloß ich mich als 4. einfach an und liefen noch 2 km mit den beiden ein 6er Schnitt. Jedes Mal wenn wir ein Läufer oder ein Grüppchen Läufer überholten, wurden wir zugejubelt. Alle dachten, wir sind 3 Stunden später gestartet. Obwohl das nicht wahr war, bekam ich doch gänzehaut. Ein willkommene Abwechslung in der "Alltagstrott". Es wurde wieder sandiger und da mußte ich dann auch abhaken. Rolf hielt auch an. Wir tranken ein Schluck und weiter ging es, sei es mit einem deutlich niedrigem Tempo.

Etwa bei km 40: Rolf mit Thorsten (9. Gesamt)

Bei CP4, nach 45 km wollte Rolf eine größere Pause machen. Darauf hatte ich kein Lust. Ich wollte nur diese verdammte Tortur hinter mich bringen. "Lieber noch heute als morgen", dachte ich. Also verabschiedeten wir uns mit den besten Wünschen. Dann war ich allein. Die Strecke änderte sich schlagartig. Es ging steil bergauf. Vor lauter Sand konnte mann hier kaum laufen. Ich erinnere mich, daß ich dort noch auf ein Belgische Teilnehmer gestoßen bin. Wir sind etwa 5 Minuten zusammen gegangen und dann verabschiedete ich mich auch von ihm. Ich drückte mich so schnell es nur ging hoch und nach ein paar Minuten war ich ganz alleine. Ich sah kein Menschen vor mir und auch keinen hinter mir.

Schöne Aussicht bei etwa km 47

Oben angekommen, sah ich eine traumhafte aussicht. Weil ich keinen Menschen mehr sah, wurde mich doch ein wenig Mulmig. Laut Roadbook mußte man sich hier etwas rechts orientieren. Nach 10 Minuten wurde ich von einer der 50 später gestarteten überholt und damit wußte ich: "hier bin ich noch richtig". Es ging weiter bergauf, wenn auch nicht mehr so steil. Noch immer war der Aussicht traumhaft. Ich lief fleißig auf 2 Andere Läufer auf. Nachdem ich mich bei den versichert hatte, dass wir jetzt stur gen Westen laufen mußten, ließ ich es ruhiger angehen. Ich lief jetzt auf eine Art ausgetrocknete See. Der Boden war total verkrustet und sehr gut zu laufen. Nachdem wieder einer der schnelleren Läufer an mir vorbei lief, beschloß ich mich an ihm dran zu hängen. Das klappte zwar nicht ganz, aber in der untergehende Sonne lief ich zügig CP5 entgegen.

Schöne Aussicht bei etwa km 49

Bei diese CP bekam ich ein Leuchtstäbchen an mein Rucksack. Jetzt mußte ich aber erst meine Füße inspektieren. Mein Rechterfuß tat mir weh. Ich tauchte also ab in einer der dort vorhandene Zelten und traf auf Lars und Steffi. Ich dachte: "Ich muß heute doch bestimmt schneller sein als die beiden". Deswegen reagierte ich verwirrt: "Hey... was macht Ihr denn hier." Lars Antwort versetzte mich sofort in eine traurige Stimmung. "Wir haben aufgegeben und sind hierher gekommen mit Hilfe der Organisation". Ich bekam ein Brocken im Hals und konnte darauf nicht viel sagen. Zügig inspizierte ich meine Füßen. Mist! Ein mittelgroße Blase unter meinem rechten Fuss. Messer heraus, Schäre aufgeklappt. Steffi wendete sich ab. Sie konnte sich das nicht ansehen. "Wettkampf ist Wettkamp", dachte ich und schnell machte ich 2 Schnitte an beide Seiten der Blase. Das Wasser spritzte heraus. Schnell noch was desinfektionsmittel drauf, abtupfen mit einem sauberen Tempotaschentuch und abdecken mit Compeed. Einpacken, Stümpfe und Schuhe angezogen und sofort mein Rucksack wieder umgehängt. Ein schnellen Gruß noch an Steffi und Lars und schon war ich wieder unterwegs.

Es war in den 10 Minuten während ich im Zelt war, stockdunkel geworden. Jetzt traf ich auf Peter, ein sehr sympatischer Zeitgenosse. Ich sagte ihm: "Häng Dich an mich dran!". Darauf rief er zurück: "Das packe ich jetzt nicht". Schade, aber ich war gut drauf und wollte Zeit gutmachen. Wettkampf ist Wettkampf und dazu wollte ich endlich mal fertig sein mit dieser Tortur. Die Nacht war sehr hell wegen des Vollmondes und auch deswegen war der Sternhimmel nicht beeindruckender als bei einem nachtlauf im Taunus. Nach einer Halbe Stunde schaute ich zurück hinter mich und sah eine Perlenkette von Kopfstirnlampen hinter mir. Etwa alle 200 m war ein Teilnehmer zu sehen. Vor mir etwa die gleiche sicht, nur daß ich nicht die Kopfstirnlampen sondern die Leuchtstaebchen sah. Ich nam mir vor, jede 5 Minuten ein Läufer zu überholen. Das ist nicht so schwierig, weil sowiso die meisten nur noch wanderten. Das klappte wunderbar. Mal waren die Abstände zwischen 2 Läufer größer, mal kleiner. Jedes Mal, dass die Abstand zu der nächsten Läufer kleiner war, freute ich mich und teilte mir diese 5 minuten etwas gemütlicher ein. So hatte ich genau 12 Teilnehmer bis zur nächsten CP überholen können. Damit hatte ich dann zwischen den 2 CP's in etwa 2,5 km mehr als die Leute um mich herum absolviert.

CP6 - 67 km - Pattrick Bauer begrüßte mich dort persönlich. Das fand ich so richtig nett. Dann nochmals Fußpflege. Irgendwie sah alles noch recht gut aus, den Umständen entsprechend. Während ein Kurzgespräch mit jemand aus Hong Kong, zog ich meine Schuhe wieder an. Ich fragte ihm nach Eddy Lam. Er hat genau wie ich auch, sein Trainingspensum für den Marathon des Sables im Internet publik gemacht. Mein Gesprächspartner sagte, er wäre vor 10 Minuten wieder auf der Strecke gegangen. Auch ich war in noch keine 5 Minuten wieder auf der Strecke. Sofort nachdem ich wieder auf den Füßen war, merkte ich, dass Laufen beschwärlich war. Der Boden war sehr unregelmäßig. Ich trottete dann auch so vor mich hin. Auf den Boden sah ich unendlich viele Käfer krabbeln. Die Anzahl der Läuferlichter um mich herum waren hier bedeutend weniger. "Ob viele in CP6 übernachten würden?", dachte ich noch. Die Leuchtstäbchen der Streckenmarkierungen verliefen in einen deutlichen Rechtsbogen. Deswegen bin ich weit rechts von den Markierungen geblieben um bloß nicht zu viel laufen zu müssen. Ich bemerkte, daß meine Verfolger mir alle hinterherliefen. Wenn ich also falsch laufen würde, würde ich wenigstens nicht alleine sein. Ich wurde von überholt zwei Läufern und beschloß mich auch wieder an das Laufen zu wagen. Das ging eher schlecht als recht.

Nach ein paar km fand ich doch wieder die kraft zu laufen, obwohl die Strecke sandig war und viele Autospuren die Sanddecke fast unlaufbar gemacht hatten. Ich überholte wieder drei andere. Einer rief mir sogar noch zu: "Team Compac... gut so!" Ich sah nicht um und trottete wie in Trance weiter. Es kam kein Ende an dem letzten Stück. Es war 23:30 und das Ziel konnte nicht mehr weit weg sein. Dann fing eine Steife Brise an den Sand hoch zu wirbelen. Ich konnte nicht mehr gerade aus schauen. Der Wind kam von rechts und ich mußte mein gesicht nach links drehen um kein Sand in den Augen zu bekommen. Vor 5 Minuten hatte ich etwas links von mir doch so was wie ein Licht gesehen, oder auch nicht? Die letzte Wegmarkierung in der Form eines Leuchtstäbchen zeigte mir ein weg, der deutlich rechts davon war. Der Sandsturm dauerte etwa 20 Minuten, währenddessen ich nur gehen konnte. Nachdem der Wind sich legte sah ich doch wieder das licht, diesmal deutlich links von mir. Ich wagte es mal und lief direkt auf das Licht zu. Meine Uhr sagte mir: "Du hast noch 10 Minuten vor Mitternacht. Ich rannte und rannte. Das Licht kam nicht näher. Ich lief noch schneller. Nur noch 5 vor 12. Jetzt sah ich Leuchtstäbchen links von mir. Ich legte so gut es noch ging eine Sprinteinlage ein. Ich muß vor 12 im Ziel sein. Ich muß vor 12 im Ziel sein. Ich muß vor 12 im Ziel sein. Ich muß vor 12 im Ziel sein. Dann war es so weit. Das Licht war tatsächlich vom Zieltransparent. Ich hatte sogar noch Zeit ein Foto zu schießen. Das Resultat seht Ihr unten.

Kurz vor Mitternacht: nach knapp 15 Stunden endlich im Ziel

Die Leute bei dem Zieleinlauf mußten lachen. Ich nam zufrieden meine Flaschen Wasser entgegen und lief richtung Zelt. Was war das? Es stand kaum ein Zelt mehr aufrecht. Fast alle Zelte waren in dem Sandsturm umgewäht. Ein Glück! Ich sah Eberhards Fahne an unserem Zelt. Es Stand! Im Zelt angekommen, lagen einige "Fremde" in unser Zelt. Das war auch richtig so. Morgen sehen wir wieder weiter. Hoffentlich geht es der Petra gut. Ohne was zu Essen und ohne meine Zähne zu putzen bin ich sofort Totmüde eingeschlafen.